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Weg mit Substantivierungen: Teil 2: Die komplizierten Verstecke

Post it mit Schrift: Monster zertrümmern macht Spass

Regeln für gute Texte. Wer substantivierte Verben auf -ung zertrümmert, macht schon etwas Wichtiges richtig. Wer die Verben dann auch noch in ihren komplizierteren Verstecken aufstöbert und zum Vorschein holt, der hat noch viel mehr gewonnen. 

Lesen Sie hier Teil 1: Weg mit Substantivierungen: Die einfachen Verstecke

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über Verben auf ung geschrieben, die es zu zertrümmern gilt. Aber wer gerne Fakten hinter Wolken verstecken will, der hat noch mehr Mittel zur Verfügung. Und wir wissen jetzt schon: Schöner wäre der Satz, würde er heissen: Der verfügt noch über andere Mittel. Und weg ist die «Verfügung». 

Aber eben: die Sache kann komplizierter sein. Verben können so aufgepustet werden, dass man nur noch mit ein wenig Nachdenken den harten Kern dahinter aufdecken kann. 

Wer schlechte Beispiele sucht, wird überall fündig

Nehmen wir ein Beispiel, denn wer Substantivierungen sucht, wird überall fündig. Gerne und oft auch bei Texten von offiziellen Stellen. Sie können es jetzt nicht merken, aber ich war gerade wirklich nur sehr kurz im Netz unterwegs, um einen schönen Beispielsatz zu suchen. Auf der Seite der Stadt Zürich wurde ich fündig, schon unter B (es gibt kein A) wie Bewilligungsstelle. Dort fand ich den Satz: «Sie haben zudem die Möglichkeit, die Parkkarten und Bewilligungen online zu beziehen sowie auch Zahlungen auszuführen.»

In diesem Satz gibt es gleich mehrere substantivierte Verben, die ihn nicht nur sperrig, sondern auch schwer verständlich machen. Die erste ist gleich: «Sie haben die Möglichkeit». Warum nicht: «Sie können?». Das ist absolut dasselbe, aber es ist viel kürzer. Und viel leichter verständlich. Wenn man den Satz damit weiterführt, merkt man sofort eine zweite Folge dieser Substantivierungen: Sie führen zu unnötigen Nebensätzen. Mit meinem «Sie können» steht da nur noch: «Sie können die Parkkarten und Bewilligungen online beziehen sowie auch Zahlungen ausführen.» Weg ist der Nebensatz.

Kürzer, schneller, verständlicher

Aber es geht noch weiter: Da sind noch die «auszuführenden Zahlungen». Die könnten doch auch einfach gezahlt werden. Dann lautet der Satz: «Sie können die Parkkarten und Bewilligungen online beziehen sowie auch zahlen.» Das versteht jeder sofort. Kein zweites Lesen nötig.

Gut, ich mag auch das Verb «beziehen» nicht, ich würde also noch versuchen, die Parkkarten bewilligen zu lassen, dann wäre gleich das ung-Wort weg. Oder ich würde wenigstens die Bewilligungen beantragen lassen, weil ich beantragen besser finde als beziehen. Ich würde auch das etwas steife «sowie» weglassen und einfach sagen «Sie können die Parkkarten … beziehen und bezahlen.» Aber das sind andere Themen. Auch die «krieche mer später», um wieder das Zitat aus dem Film «Die Feuerzangenbowle» anzubringen.» 

Das Beispiel taugt auch wunderbar, um zu zeigen, wie schnell so ein Blähdeutsch-Monster zum kleinen Satz zusammenschrumpft. Und man merkt jetzt: Der Tatbestand hinter dem Monster ist total simpel. Keine Hexerei. Und der Service der Stadt Zürich ist wirklich gut, weil er den Leuten den Gang zum Amt abnimmt.

Aufgeblähte Sprach-Monster werden zertrümmert 

Aufgeblähte Ausdrücke wie «Sie haben die Möglichkeit» gibt es wie Sand am Meer. Abhilfe schaffen statt helfen, in Vorschlag bringen statt vorschlagen. Stimmenthaltung üben statt sich enthalten. Auf der Seite der Stadt Zürich findet sich etwa der Ausdruck, die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen seien «massgeblich an der Gestaltung der Politik der Stadt Zürich beteiligt». Warum gestalten sie sie nicht massgeblich mit? Auch heisst es: «Geleitet wird die Verwaltung durch den vom Volk gewählten Stadtrat mit seinen neun Mitgliedern.» Warum nicht: «Das Volk wählt die neun Mitglieder des Stadtrats, der die Verwaltung leitet»? Oder: «Die neun Mitglieder des Stadtrats leiten die Verwaltung und werden vom Volk gewählt.» Je nachdem, ob man eben die Rolle des Volkes oder die Aufgabe des Stadtrats betonen möchte. Solche Feinheiten werden plötzlich wichtig,  

Sie merken: Wer diese Wortmonster zerstören will, muss zum Spürhund werden, um die Verben aufzustöbern. Aber wie hiess es immer in meinen Journalismus-Workshops: Wir Journalisten sollen uns quälen, wir sollen nicht die Leser quälen. Gute Texte schreiben ist harte Arbeit, aber man kann einigen Regeln folgen. Aber ich kann Ihnen versprechen: Sie werden die Regeln schneller verinnerlichen als Sie denken. Und ab da wird es deutlich leichter. Allerdings gibt es dann durchaus Texte, die Sie nicht mehr lesen wollen. So erging es mir auch mal nach einigen Wein-Seminaren: Die schlechten Weine mochte ich nicht mehr. Weil ich gelernt hatte, die guten Tropfen zu erkennen. In dem Sinne: Prost! 

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